Aversionen,

Ich halte mich für einen herzensguten, ausgeglichenen, liebenswürdigen Menschen, der keiner Fliege was zu Leide tun kann, tolerant, aufgeschlossen, nach allen Seiten offen, ohne Launen seinen Mitmenschen gegenüber, kurz, das Vorbild jeder wohlmeinenden Kindererziehung und überhaupt...
Aber eins kann ich beim Teufel nicht ausstehen, da werde ich zum Werwolf, zur reissenden Bestie, zur Inkarnation des Grauens:
Jemand ruft mich an und versucht hinterhältig, hinterlistig mir irgendeine ungewollte Sache oder Dienstleistung anzudrehen, aufzuschwatzen oder überzubügeln, im wahrsten Sinne des Wortes, koste es was es wolle: Telefonaquisition heißt das Unwort.
Meine Reaktion zwischen verbaler Aggression und beissender Ironie richtet sich nach dem Tonfall und der Ansprache des telefonischen Gegenübers. Die Palette der Methoden dieser absatzsteigernden Schauspieler reicht von kumpelhaftem, anbiederndem Schleim über besorgtes, Einfühlsamkeit heuchelndes Sonor, bis zu anklagendem, Angst einflößendem Flüstern nach dem Motto "Wie können Sie nur immer noch nicht ...".
Den bisherigen Höhepunkt solcher Frechheiten habe ich vor einem Jahr im Zusammenhang mit einer digitale Fernsehprogramme vermarktenden Firma erlebt, die sich tatsächlich erdreistete mein Sportabbonnement bei ihr zu kündigen und gleichzeitig ein wesentlich (fast doppelt) so teures Angebot zu unterbreiten, das eine Menge Firlefanz zusätzlich enthielt, den ich nicht sehen wollte. (Ich vereinfache die Darstellung insoweit, dass eigentlich mein minderjähriger Sohn dieses Abo in Anspruch nahm und ich dadurch zusätzlich auch noch eine pädagogische Aufgabe zu meistern hatte).
Die Unverschämtheit gipfelte bei einem von mehreren Bekehrungsversuchen in einem Anruf einer Aquisiteurin, deren Tonfall nach Vorgesetzter klang, die ihren Mitarbeiterinnen mal zeigen will, wie man es macht; nachdem ich ihr in aller Deutlichkeit klargemacht hatte, dass das Abonement ja nicht von mir, sondern von ihrer Firma gekündigt wurde, drohte sie mit der Bemerkung: "Da bleibt der Bildschirm bei Ihnen aber jetzt dunkel."
Drei Tage später erhielt ich ein schriftliches Angebot zur Fortsetzung meines Abos zu den bisherigen Konditionen ...
Ein einziges Mal habe ich es erlebt, dass sich ein offenbar vom Berufsethos (oder aber auch von Erfolgszwang) getriebener Telefonquälgeist nach meiner kurzen, aber unmissverständlichen Absage traute, unmittelbar darauf  nochmals anzurufen, um mir doch tatsächlich Vorhaltungen zu machen, dass ich ihn noch nicht einmal angehört hatte. Ich hoffe trotz allem, der arme Kerl hat keinen Gehörschaden davon getragen!